Anliegen Mahnmal Gleis 17
Inhaltsverzeichnis
Anlagen
- A. Offener Brief BezirksamtCharlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
- B. Die Begründung im Einzelnen
- I. Gewerbliche Nutzung der Fläche durch ein Studentenwohnheim
- II. Das Areal als etablierte Grünfläche
- III. Verstoß gegen das BauGB – Gedenkstätte ist ein „öffentlicher Belang“
- IV. Beeinträchtigung des Anliegerverkehrs
- V.Sicherheitslage auf dem Areal und der unmittelbaren Umgebung
- VI.Bedenken der BVV und der jüdischen Gemeinde
- VII.Jüdische Gemeinde Berlin kritisiert das Vorhaben öffentlich
- Anlage 1: Mietspiegelabfrage für die Hilde-Ephraim-Straße 30-33
- Anlage 2: Handelsregisterauszug der Moses Mendelssohn Immobilie Gleis 17 GmbH & Co. KG (AG Fürth, HRA 11438); Bauherrin
- Anlage 3: Firmenauskunft (North Data GmbH) Moses Mendelssohn Immobilie Gleis 17 GmbH & Co. KG (AG Fürth, HRA 11438); Bauherrin
- Anlage 4: Moses Mendelssohn Grundbesitz GmbH, Erlangen (AG Fürth, HRB 13710); Geschäftsführung
- Anlage 5: Stellungnahme von Herrn RA Dr. Heile vom 16.12.2021
- Anlage 6: Das Mahnmal „Gleis 17“ – die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert (April 2005)
- Anlage 7: Gideon Joffe gegen Gedenk-Campus am Gleis 17
„Unveränderte Bewahrung des Originalschauplatzes Mahnmal Gleis 17“
Überblick der Argumente
Die Bürgerinitiative „Unveränderte Bewahrung des Originalschauplatzes Mahnmal Gleis 17“ setzt sich seit dem Dezember 2021 dafür ein, den derzeitigen Zustand am Gleis 17 einschließlich der Flurstücke 148 und 149 ohne weitere Bebauung zu erhalten, einen Rückkauf der Flurstücke durch das Land Berlin zu erreichen und das Areal als einen der wenigen authentischen Orte der nationalsozialistischen Verbrechen in Berlin als Erinnerungs- und Gedenkort zu belassen.
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hatte im Rahmen einer frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB im November/Dezember 2021 den vorhabenbezogenen Bebauungsplan 4-77VE vorgestellt. Dieser Plan sieht vor, die bis dahin nicht zur Bebauung freigegebenen Flächen (Flurstücke 148 und 149) mit einem Studentenwohnheim mit fas 170 Wohnungen zu bebauen und damit die Stille, den Erinnerungs- und Gedenkort und den authentischen Originalschauplatz für immer zu verdrängen.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die damalige Errichtung der Siedlung Hilde-Ephraim-Str. nur unter der Bedingung genehmigt wurde, dass es nie eine Bebauung des Plangebietes 4-77E geben darf, stößt der vorhabenbezogene Bebauungsplan „Studentenwohnheim mit Dokumentationszentrum“ umso mehr auf Unverständnis und Kopfschütteln.
Mit unserem offenen Brief rufen wir den Mitgliedern und Parteien der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf in Erinnerung, dass der damalige Bebauungsplan für die Siedlung Hilde-Ephraim-Straße nur unter der Bedingung umgesetzt werden durfte, dass die direkt am Mahnmal Gleis 17 befindlichen Flurstücke 148 und 149 unbebaut bleiben und ein monumentaler Sichtschutz errichtet wird, der die Sicht von dem Mahnmal Gleis 17 auf die Siedlung Hilde-Ephraim-Straße abschirmt.
Als Anwohner sind wir äußerst erstaunt, dass die Bezirksverordnetenversammlung und das Bauamt die Unversehrtheit des Erinnerungs- und Gedenkortes für die Errichtung eines Studentenwohnheims eintauschen will, wobei das Bauvorhaben dadurch, dass nur auf einem sehr kleinen Teil der Bebauungsfläche (5%) ein Dokumentationszentrum entstehen soll, noch problematischer wird.
Die Initiative nimmt zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wie folgt Stellung:
- Die Broschüre zu dem Else Ury Campus beschäftigt sich mit einigen Facetten des Vorhabens, jedoch wichtige Aspekte wie Einbettung in die Umgebung, die verkehrs-, sicherheitstechnischen und wohnbeeinträchtigenden Auswirkungen auf das angrenzende Wohnumfeld sowie auf das Mahnmal Gleis 17 selbst fehlen.
- Das Projekt beabsichtigt die Errichtung von 165 Studentenwohnungen, womit eine gewerbliche und renditeorientierte Nutzung der Fläche bezweckt wird. Das Dokumentationszentrum wird nur rd. 5% der Nutzfläche ausmachen und nur als Vorwand dient, um ein Studentenwohnheim auf dem Gelände der Gedenktstätte Gleis 17 zu errichten. Es hätte einen „Aufschrei“ der Bezirksverordneten-versammlung und in der Öffentlichkeit gegeben, wenn das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf in 2005 der Aurelis den Bau eines Studentenwohnheims genehmigt hätte. Deswegen sollte die Bebauung auch heute unzulässig sein.
- Wir sprechen uns gegen eine offensichtliche Bevorzugung gewerblicher Interessen der Bauherrin zu Lasten der authentischen Gedenkstätte (Denkmal und schutzwürdiges Kulturgut) aus, die anderen Bauherren mit dem Bebauungsplan 4-21 untersagt wurden und auch heute anderen Bauherren nie erlaubt würden. Deshalb halten wir es für fragwürdig, dass gerade eine Tochtergesellschaft der Moses Mendelssohn Stiftung an der Gedenkstätte ein Renditeobjekt errichten will.
- Das Mahnmal Gleis 17 und die anschließende Fläche (Flurstücke 148 und 149) werden von Besuchern des Mahnmals als stiller Erinnerungs- und Gedenkort und von den Anwohnern auch als Grün- und Durchgangsfläche genutzt. Das Areal hat sich in den Jahren als stille lokale Grünfläche etabliert.
- Die Verkehrs- und Sicherheitslage wird im anliegenden Wohnumfeld erheblich beeinträchtigt werden. Die Sicherheit des Campus selbst wird nur durch die erwartete Abgrenzung des gesamten Areals realisierbar sein, so dass ein offen zugänglicher Campus gar nicht denkbar ist. Der Charakter des Mahnmals Gleis 17 als freier und unbeobachteter Begegnungs- und Gedenkort wird damit für immer verloren gehen. Und es stellt sich die Frage, wer die dauerhaft anfallenden, erheblichen Kosten der Sicherung des Areals tragen soll.
- Die Bebauung des Plangebietes steht außerdem im Widerspruch zu den ökologischen Ausgleichsflächen, die nach dem bestehenden Bebauungsplan (4-21) zur Entwicklung des Baugebietes Hilde-Ephraim-Straße zu schaffen waren. Ganz im Gegenteil fände durch die Bebauung eine weitere Versiegelung der Flächen statt und würde den ursprünglichen Ansatz konterkarieren.
- Am schwersten wiegt aber, dass der Status quo des Mahnmals Gleis 17 als stiller Ort des Gedenkens und als authentischer, historischer Ort verloren geht. Die unveränderte Erhaltung dieses Originalschauplatzes wurde von allen Parteien der Bezirksverordnetenversammlung und von der jüdischen Gemeinde eingefordert.
„Die Planung eines Wohngebietes in unmittelbarer Nähe zu der Gedenkstätte wurde oft als pietätlos empfunden. Es wurde angenommen, dass die Weite und Stille, welche den Charakter dieses Ortes prägen, durch die angestrebte Einbeziehung in den städtischen Raum unwiederbringlich verloren gehen würde.“ (Begründung zum Bebauungsplan 4-21, Seite 86).
Genau dies würde durch die Errichtung eines Studentenwohnheims mit Versorgungs- und Verkehrswegen sowie Sicherheitseinrichtungen eintreten.
- Der amtierende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, hat sich im April 2021 öffentlich gegen den Else Ury Campus ausgesprochen. Dies lässt darauf schließen, dass sich die jüdische Gemeinde Berlin also auch heute unverändert gegen eine Bebauung der Gedenkstätte stellt.
- Aufgrund der nachteiligen Auswirkungen eines Studenten-Campus im unmittelbaren Umfeld der Siedlung Hilde-Ephraim-Str./Rosensteinweg und der weiteren Erwägungen lehnen wir die Errichtung des geplanten Studentenwohnheims und die bauliche Veränderung des Originalschauplatzes Mahnmal Gleis 17 sowie der Flurstücke 148, 149 und 151 ab.
Wir befürworten, dass die Bahn bzw. das Land Berlin die Flurstücke 148, 149 und 151 Forst Grunewald zurückkauft und komplett als Gedenkstätte ausweist, damit weitere Bebauungsvorhaben vermieden werden und den Deportierten an der Gedenkstätte Mahnmal Gleis 17 weiterhin in Ruhe und Anstand gedacht werden kann.
In der Vorhabenbeschreibung zu dem Plangebiet wird im städtebaulichen Konzept dargestellt, dass drei Gebäude errichtet werden sollen, in denen sich ca. 165 Studentenwohnungen mit einer Größe von jeweils 18 qm auf einer Geschossfläche von ca. 4.800 qm (94,3 % der Fläche) und ein Dokumentationszentrum mit einer Geschossfläche von ca. 290 qm (5,7% der Fläche) befinden. In dem Studentenwohnheim sollen Studenten aus „allen“ Fachbereichen wohnen und studieren (Else Ury Campus, Seite 6).
Ausgehend von einer Mietspiegelabfrage des Berliner Mietspiegel 2021 für die Hilde-Ephraim-Str. 3-30 kann eine mittlere Nettokaltmiete für die Wohnungen von EUR 10,00 angenommen werden. Daraus ergibt sich eine monatliche Nettokaltmiete für die 165 Wohnungen von EUR 29.700,00. Die jährliche Nettokaltmiete beträgt EUR 356.400,00. Damit werden die wirtschaftlichen Dimensionen des Investments deutlich. In zehn Jahren vereinnahmt die Eigentümerin und Bauherrin ca. EUR 3,6 Mio. Vermutlich ein lukratives Geschäft, denn für die im Bauplan als Außenfläche qualifizierten Flurstücke 148 und 149 wird die Bauherrin keinen hohen Kaufpreis entrichtet haben oder werden.
Anlage 1: Mietspiegelabfrage für die Hilde-Ephraim-Straße 30-33Aktuell werden auf der Plattform ImmobilienScout24 Ein-Zimmer-Wohnungen (möbliert) in der Trabener Str. für eine Kaltmiete von EUR 29,18 pro Quadratmeter angeboten. Insofern ist die dargestellte Berechnung auf der Basis des Berliner Mietspiegels als konservativ zu betrachten, da sie außerdem keine Mietsteigerungen enthält. Bei einer Nettokaltmiete von z.B. EUR 20,00 pro Quadratmeter beträgt die jährliche Nettokaltmiete EUR 712.800,00.
Die Bauherrschaft für das Projekt hat die Moses Mendelssohn Immobilie Gleis 17 GmbH & Co. KG (AG Fürth, HRA 11438). Diese Gesellschaft hat den Zweck wohnwirtschaftliche und gewerbliche Immobilien zu verwalten und zu vermieten. Die Komplementärin der KG ist die Moses Mendelssohn Grundbesitz GmbH, Erlangen (AG Fürth, HRB 13710). Deren Gegenstand der Gesellschaft ist die umfassende gewerbliche Verwaltung, Verwertung und Finanzierung von Immobilien.
Die Handelsregisterauszüge der beiden Gesellschafter sind als Anlagen dem Schreiben beigefügt:
Anlage 2: Handelsregisterauszug der Moses Mendelssohn Immobilie Gleis 17 GmbH & Co. KG (AG Fürth, HRA 11438), Bauherrin Anlage 3: Firmenauskunft (North Data GmbH) Moses Mendelssohn Immobilie Gleis 17 GmbH & Co. KG (AG Fürth, HRA 11438), Bauherrin Anlage 4: Moses Mendelssohn Grundbesitz GmbH, Erlangen (AG Fürth, HRB 13710), GeschäftsführungDie Bauherrin ist eine gewerbliche Gesellschaft, die ihr Ergebnis mit Immobilienprojekten erwirtschaftet. Es ist unverständlich, dass einer gewerblichen Tochtergesellschaft der Moses Mendelssohn Stiftung die gewerbliche Nutzung des Areals gestattet werden soll, während das Bezirksamt sogar die Bebauung von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilien untersagt hat und für die Realisierung der Siedlung Hilde-Ephraim-Straße sogar extra ein Sichtschutzwall errichtet werden musste – vor allem im Interesse der Gedenkstätte.
Die rechtliche Konstruktion der Kommanditgesellschaft lässt es sogar zu, dass sich – auch zu einem späteren Zeitpunkt – private Investoren an dem Immobilienprojekt beteiligen können. Selbst eine Veräußerung an andere Eigentümer oder Betreiber ist möglich. Dies konterkariert die Absicht, das Denkmal und seine Umgebung im Sinne des Gemeinwohls unverbaut zu schützen.
Wir sprechen uns gegen gewerbliche Millionengeschäfte der Bauherrin zu Lasten der Gedenkstätte aus, die anderen Bauherren mit dem Bebauungsplan 4-21 untersagt wurden und auch heute anderen Bauherren nicht erlaubt würden.
In dem Bebauungsplan 4-21 ist die Schaffung eines öffentlichen Zugangs zum unbebauten Teil des ehemaligen Güterbahnhofsgeländes mit der anschließenden Mahn- und Gedenkstätte „Gleis 17“ sowie zur Herstellung einer Fuß- und Radwegeverbindung zwischen der Hilde-Ephraim-Straße und dem Bahnhofsvorplatz des S-Bahnhofs Grunewald vorgesehen (Begründung 4-21, Seite 21). Dieser Fuß- und Radweg existiert seit vielen Jahren und wird nicht nur von den Anwohnern genutzt.
Für die Anwohner hat sich der Weg durch die Grünfläche mit der anschließenden Gedenkstätte als freier Raum etabliert. Der Weg wird aber auch für sportliche Aktivitäten mit dem Fahrrad oder zu Fuß als Verbindung zum Grunewald genutzt. Selbstverständlich dient der Durchgang auch als kurzer Weg zum S-Bahnhof und als Zugang zur Gedenkstätte Gleis 17. In dieser Weise wird der Weg nicht nur von Anwohnern, sondern auch von Ortsfremden genutzt.
In der Begründung zum Bebauungsplan 4-21 heißt es dazu auf Seite 94:
“Durch die Begrenzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans auf die nördliche Teilfläche des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald werden Flächen des Mahnmals durch die Planung weder in Anspruch genommen, noch tangiert. Der weite, unverbaute Blick, der sich den Besuchern der Gedenkstätte gegenwärtig beim Blick über das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs bietet, erfährt durch die geplante Bebauung zwar eine räumliche Begrenzung, diese weist jedoch mit einer Entfernung von über 300 m einen angemessenen Abstand zur Mahn- und Gedenkstätte auf.”
Die Gedenkstätte und das anschließende Gelände mit Sichtschutz, das einen weiten Blick von der Gedenkstätte in Richtung Nordosten (Begründung 4-21, Seite 29) gewährt, hat eine hohe Akzeptanz bei den Anwohnern und in der Bevölkerung. Durch den Bau eines Studentenwohnheims, das voraussichtlich bewacht werden müsste und eine Sicherheitszone bildet, würden die Stille und die unbeobachtete, unbeeinträchtigte Nutzung des Geländes nicht mehr möglich sein.Die Flächen des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald wurden mit Abschluss des eisenbahnrechtlichen Verfahrens als Außenbereich nach § 35 Baugesetzbuch eingestuft, so dass für die städtebauliche Neuordnung des Bereichs im Sinne der Entwicklung einer neuen Wohnsiedlung die Aufstellung des Bebauungsplans 4-21 erforderlich war (Begründung Seite 3).
Der Hauptteil des Plangebiets des vorhabenbezogenen Bebaungsplans 4-77E (Flurstücke 148 und 149) befindet sich außerhalb des Siedlungsbereichs des Ortsteils Grunewald und liegt planungsrechtlich im sogenannten Außenbereich nach § 35 BauGB. In dem planungsrechtlichen Zustand des Außenbereichs sind auf den Flurstücken 148 und 149, mit Ausnahme der nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben, die mit dem beabsichtigen Bau eines Studentenwohnheims nicht erfüllt sind – siehe § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 BauGB -, keine baulichen Nutzungen möglich.
Die Unversehrtheit und der freie weite Blick von der Gedenkstätte aus waren entscheidende Bedingungen für die Genehmigung des Bauvorhabens Siedlung Hilde-Ephraim-Straße durch das Bauamt und die Bezirksverordnetenversammlung (siehe Begründung 4-21, Seite 84 – BA Änderungsbeschluss; Begründung 4-21, Seite 88 – BVV Änderungsbeschluss; Begründung 4-21, Seite 9 – „Blickfeld von der Gedenkstätte“; Begründung 4-21, Seite 50 – „Umgebungsschutz“; Begründung 4-21, Seite 57 – „Blick von der Mahn- und Gedenkstätte“; Begründung 4-21, Seite 58 – „in die ferne gerichtete Blickbeziehungen“; Begründung 4-21, Seite 61 – „weiter unverbauter Blick“; Begründung 4-21, Seite 94 – „unverbauter Blick“).
Die Errichtung eines Studentenwohnheims verstößt daher gegen § 35 BauGB, weil diese bauliche Nutzung im Außenbereich nicht zulässig ist. Die Bebauung ist aus den genannten Gründen auch nicht durch die Festlegung eines neuen Bebauungsplans möglich. Jedenfalls impliziert die Entstehung des Bebauungsplans 4-21 ein nachhaltiges Bebauungsverbot, was auch gegen die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans spricht.
In der derzeit vorgesehen Ausgestaltung der baulichen Maßnahmen bestehen erhebliche Bedenken mit Blick auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen durch Versorgungsfahrzeuge für das Studentenwohnheim, Fahrzeuge der Studenten und ihrer Besucher sowie von Pkw von Besuchern der Gedenkstätte.
Nach der Vorhabenbeschreibung ist das gesamte Plangebiet als autofreies Areal geplant, das – mit Ausnahme von Stellplätzen für Fahrzeuge mobilitätseingeschränkter Personen – über keine Abstellflächen für Personenkraftwagen verfügt. Die Erschließung und die Müllentsorgung sollen von der Hilde-Ephraim-Str. aus erfolgen. In Richtung S-Bahnhof Grunewald ist weiterhin lediglich ein Fuß- und Radweg geplant.
Tatsächlich bestehen aber weder auf der Entschließungszwecken dienenden Hilde-Ephraim- Straße noch auf der zu- bzw. abführenden Trabener Straße (ausreichende) Parkplatzkapazitäten, so dass es naheliegend erscheint, dass die Parkraumsuche in die umliegende Nachbarschaft ausstrahlen wird und mit einer bedeutsamen Verknappung des Parkplatzangebotes in der Umgebung zu rechnen ist.
Die Gründe für die Bedenken sind im Einzelnen und ausführlich in der Stellungnahme von Herrn RA Dr. Heile vom 16.12.2021 im Auftrag von Herrn Dr. Oldgengott, Anwohner, aufgeführt, die als Anlage diesem Schreiben beigefügt ist.
Anlage 5: Stellungnahme von Herrn RA Dr. Heile vom 16.12.2021Es ist unbedingt geboten, einer Entwertung des bestehenden Siedlungscharakters rund um die Gedenkstätte und das bebauungsplangegenständliche Plangebiet und somit einer solchen der sich in unmittelbarer Umgebung befindlichen Grundstücke infolge der o.g. Umstände vorzubeugen. Im Falle einer Baurealisierung in vorgesehener Art und Weise drohen irreparable Nachteile zu Lasten der ansässigen Nachbarschaft sowie ihres Eigentums und dessen Nutzbarmachung.
Viele jüdische Einrichtungen werden in Deutschland nicht nur geschützt, sondern Tag und Nacht durch die Polizei zum Teil schwer bewacht. In dem geplanten Studentenwohnheim sollen künftig insbesondere Studenten aus Israel wohnen (Else Ury Campus, Seite 6) und aufgrund der baulichen Umsetzung mit Bezug zum Judentum (Else Ury Campus, Seite 12) ist zu erwarten, dass auch Studenten, die aus anderen Ländern stammen und dort studieren, jüdischen Hintergrund haben werden. Damit kann davon ausgegangen werden, dass sich die Sicherheitslage für das geplante Areal und die unmittelbare Umgebung, also auch in der Hilde-Ephraim-Str., der Trabener Str. und am S-Bahnhof Grunewald grundlegend verändern wird.
Dies ist den Initiatoren des Vorhabens bestens bekannt und es verwundert, dass es in der Dokumentation des Else Ury Campus davon keine Rede ist. In dem Else Ury Campus-Konzept heißt es (Seite 15):
„auch nach Fertigstellung (voraussichtlich 2025) ein wie gewohnt öffentlich zugängliches Gelände für Anwohnerschaft und Besuch, […] auch auf dem Weg zum S-Bahnhof Grunewald oder bei einem Spaziergang“
Es ist äußerst zweifelhaft, das das Areal weiterhin unbefangen und wie gewohnt von der Anwohnerschaft und den Besuchern der Gedenkstätte genutzt werden kann. Wahrscheinlich ist, dass die Gedenkstätte und das Areal eine starke Abgrenzung erfahren wird, die sich auf die unmittelbare Umgebung und den S-Bahnhof Grunewald auswirkt.
Letztlich kommt es in der Frage der Bebauung aber auch nicht darauf an, ob diese nun renditeorientiert ist oder nicht. Aufgrund der Entstehungshistorie des Bebauungsplans 4-21 verbietet sich auch eine nicht renditeorientierte Bebauung.
Hinzu kommt, dass sich im Fall von notwendigen Sicherheitsmaßnahmen die Frage stellt, wer die Kosten von solchen Maßnahmen trägt. Vermutlich werden diese Kosten dann vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf oder vom Land Berlin getragen, was im Fall von Synagogen oder der Botschaft gerechtfertigt ist – nicht jedoch bei einem renditeorientierten Immobilienprojekt.
Diese Sicherheitsfragen werden sich künftig nachteilig auf Verkehr und Zugänge in der Siedlung Hilde-Ephraim-Str./Rosensteinweg auswirken. Ein offener Campus wie er im Else Ury Campus Konzept dargestellt ist, wird aus Sicherheitsgründen gar nicht möglich sein.
Bereits im April 2005 haben alle Fraktionen der BVV Wilmersdorf eindeutig und ausführlich Stellung gegen jegliche Bebauung der Flurstücke 148 und 149 Forst Grunewald genommen. Die vorgebrachten Argumente gelten noch immer.
Für die Initiatoren der Bürgerinitiative ist es unverständlich, dass sich die BVV noch nicht wieder eindeutig gegen die Bebauung ausgesprochen hat.
Im April 2005 hat die Bezirksverordnetenversammlung zu der Gedenkstätte Mahnmal Gleis 17 und der Bebauung des Güterbahnhofs Grunewald diskutiert. Da sich diesbezüglich alle Parteien inhaltlich gleich geäußert haben, soll an dieser Stelle nur aus dem Diskussionsbeitrag der SPD zitiert werden, weil der aktuelle BVV-Vorsteher Wolfgang Tillinger der SPD angehört:
„Das Mahnmal „Gleis 17“ erinnert an den Ausgangspunkt der grausamen Deportationen von 56.000 Berliner Juden, die unter den Augen ihrer Nachbarn und der Bewohner der Villenkolonie Grunewald in die Todeslager abtransportiert wurden. Es ist einer der wenigen authentischen Orte des Holocaust in Berlin und muss deshalb in seiner jetzigen Anlage und künstlerischen Gestaltung unversehrt und unbeeinträchtigt erhalten bleiben, es ist zu achten und zu schützen. […]“
Die CDU, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die FDP-Fraktion und Fraktionslose Bezirksverordnete haben sich ähnlich geäußert, so dass die Diskussion der Bezirksverordnetenversammlung als Anlage diesem Schreiben beigefügt wird.
Anlage 6: Das Mahnmal „Gleis 17“ – die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert (April 2005)Die Begründung des Bebauungsplans 4-21 zeigt aber auch, dass es viele Eingaben und Aktivitäten der jüdischen Gemeinde selbst gab, um eine Bebauung ganz oder zumindest im unmittelbaren Anschluss an die Gedenkstätte zu verhindern. Sogar Isaak Behar, Gemeindeältester der Berliner jüdischen Gemeinde, der durch die Vernichtungsmaßnahmen Nazideutschlands seine gesamte Familie verlor, bringt eindrucksvoll zur Sprache, was das Mahnmal “Gleis 17” am ehemaligen Güterbahnhof Grunewald aussagt (Interview im Deutschlandfunk, gesendet am 14.3.05). Die Bebauung eines Teils des Geländes würde diesen Eindruck abschwächen.
„Die Planung eines Wohngebietes in unmittelbarer Nähe zu der Gedenkstätte wurde oft als pietätlos empfunden. Es wurde angenommen, dass die Weite und Stille, welche den Charakter dieses Ortes prägen, durch die angestrebte Einbeziehung in den städtischen Raum unwiederbringlich verloren gehen würde.“ (Begründung zum Bebauungsplan 4-21, Seite 86).
Genau dies würde durch die Errichtung eines Studentenwohnheims mit Versorgungs- und Verkehrswegen sowie Sicherheitseinrichtungen eintreten.
Hervorzuheben ist, dass der amtierende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, den geplanten Else Ury Campus öffentlich kritisiert. Im Interview mit dem Tagesspiegel (Tsp 07.04.2021, 10:22) hat Gideon Joffe gesagt:
„Die Anlage am Gleis 17 ist in ganz Deutschland einer der authentischsten Orte im Gedenken an die Shoa. Wenn dort, wie geplant, unter anderem ein Wohnblock entsteht, ginge viel von der Authentizität verloren.“
Anlage 7: Gideon Joffe gegen Gedenk-Campus am Gleis 17Der öffentlichen Kritik von Herrn Joffe sollte die Bezirksverordnetenversammlung mehr Aufmerksamkeit widmen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Berlin hat sicher Gründe für seine Kritik.
Dr. Michael Oldengott, Birte Schneider, Dr. Vanessa Schulze-Wischeler und Dr. Johannes Schulze-Wischeler, Ulrike Stock und Thomas Fenske, Heidi Umbach und Dr. Patrick Umbach, Kerstin von Waldthausen und Dr. Johannes von Waldthausen,
Dr. Dietrich Westphal
Barbina Almengo, Andreas Betzmeir, Friedhelm Beuker, Beate Beyer, Mark Beyer, Siemin Beyersdorf, Dr. Henning Borwieck, Nina Borwieck, Linlin Dong, Thomas Gazlig, Ilja Grunkin, Dr. Jürgen Harders, Jens Hartmann, Nicola Kurzmann, Daniele Lenz, Stefan Lenz, Wenyan Li, Dr. Ursula Makowiec, Mirko Mezzogori, Alexandra Mottmann, Boris Pantchechnikov, Katja Pantchechnikov, Elina Pett, Nikolaus Pett, Alina Pevzner, Anja Posvic, Alena Posvic, Adam Posvic, Jutta Rössel, Dr. Romy Strecker, Dr. Radosveta Ivanova-Stenzel, Michael Stenzel, Victor Alexander Stenzel, Dr. Michael Veittinger, Judith Wawrzyn-Harders, Norbert Born, Ludmilla Ackermann, Roman Ackermann, Dr. Manuela Keuch, Dr. Richard Keuch, Christa Schliski, Jeannette Margulies, Johann Narziss Margulies, Dr. Angelika Schneider, Daniela von Sengbusch, Max Pauly, Sabine Beisegel, Konrad Kutt, Simone Schlicht, Dr. Nicolas Schönfeld, Dr. Susanne Arendt, Irene Aselmeier, Maxim Czarny, Michael Bob, Bianca Hargraves